Teil 32 - Condor Teil 1
Jetzt breche ich mal eine Lanze für Wolfgang M. Biehler und seinen Condor Verlag. In den 1980er Jahren war er prägend und omnipräsent in den Comic-Regalen. Man kann viel kritisieren, aber letzten Endes zählen doch die Verkaufszahlen. Und die fielen verdammt hoch aus in der Statistik. Eine der lustigsten und gleichzeitig spannendsten Geschichten der Fantastischen Vier hatte Williams mangels verfügbarem Material auslassen müssen. Condor hingegen konnte ein paar Jahre später auf die Vorlagen der US-Nachdrucke zurückgreifen.
So kam u.a. Fantastic Four #5, wo Dr. Doom die FV mit seiner Zeitmaschine in die Vergangenheit schickt, zum Abdruck. Eine deutsche Erstveröffentlichung, da auch der bsv diese nicht in seinem Hit Comics-Repertoire hatte. Die Präsentation im ersten FV-Taschenbuch mag nicht die beste gewesen sein, aber mir blieb das Piraten-Abenteuer mit dem Ding als Blackbeard stets in Erinnerung. Und ich muss noch immer schmunzeln, wenn ich daran denke.
Ebenso geil und prägend fand ich den Storybogen "Hexenzeit" im siebten Spinne-Taschenbuch aus Marvel Team-Up #41-45. Auch hier ist Dr. Dooms Zeitmaschine beteiligt. Spider-Man findet sich im Jahr 1692, zur Zeit der großen Hexenjagd von Salem, wieder. Waren viele Team-Ups zuvor eher langweilig und dröge, haute dieser Mehrteiler richtig rein. Scarlet Witch, Vision, Dr. Doom, Moondragon plus zeitgenössische Charaktere wie Cotton Matter und John Proctor nebst unserem freundlichen, wandkrabbelnden Nachbarn. Einfach klasse!
Auch der andere Storybogen um Polizeichefin Jean DeWolff und ihrem Bruder Brian auf den vorherigen Seiten desselben Taschenbuchs gefiel mir gut. Dieser spielt originalchronologisch (Marvel Team Up #48-51) nach den Hexenereignissen, aber sei's drum. Sal Buscema hatte nie die zeichnerischen Qualitäten seines Bruders John, produzierte aber solide Werke bei den Rächern, Hulk und den Spider-Man Nebenserien. Von daher finde ich persönlich, dass die Formatverkleinerung auf Taschenbuchgröße seinen Zeichnungen schmeichelt und die eine oder andere Holprigkeit kaschiert.
Ebenfalls toll waren für mich die Geschichten des Hulk aus den jeweils ersten beiden Spinne- und Hulk-Taschenbüchern. Einen Teil davon kannte ich zwar schon aus den Williams- und bsv-Marvel Comics, aber so konnte ich z.B. Tales To Astonish #79-91 am Stück lesen. Das hatte schon was. Hinzu kamen ganz frühe Sachen, die Williams ausgelassen hatte. Die Origin aus der ersten US-Serie des grünen Riesen aus #3, sowie zwei weitere Stories aus Incredible Hulk #5 und 6.
Doch Klassiker waren nicht wirklich das Ding von Wolfgang M. Biehler und seiner Mannschaft. Vermutlich lag der Vergleich mit den schöneren Williams-Ausgaben zu nah und die Naivität der frühen Zeichnungen von Jack Kirby oder Steve Ditko war längst nicht mehr zeitgemäß. Auch die Farbgebung ließ zu wünschen übrig. Ein besonders übles Beispiel ist das erste Album der Fantastischen Vier. Aber auch die ersten Taschenbuchausgaben zeigten sich nicht viel besser.
Condor verabschiedete sich also schnell vom klassischen Marvel-Material und schwenkte auf aktuelleres um. Das konnte man immerhin als "Deutsche Erstveröffentlichung" groß in Signalfarben auf den Titelbildern bewerben. So blieben Lücken, die zum Teil bis heute nicht geschlossen wurden. Biehlers Mannschaft hütete sich auch davor, sich mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften anzulegen.
Ein Antrag auf Indizierung lag z.B. für Die Fantastischen Vier Comic-Album Nr. 3 vor. Das erzählte mir Hajo F. Breuer einmal bei einem Telefonat. Ich dachte sofort an die Zweitstory mit dem Hatemonger, der sich am Ende als Adolf Hitler bzw. eines seiner Doubles entpuppt. Doch weit gefehlt, jemand hatte sich an der Darstellung der vier Reiter der Apokalypse gestört. Die Leute bei Marvel USA konnten das überhaupt nicht nachvollziehen, schließlich wären weder Blut noch irgendwelche Eingeweide zu sehen gewesen. Jedenfalls konnte Hajo durch ein von ihm aufgesetztes Schreiben nachweisen, dass der Comic harmlos war und somit eine Indizierung abwenden.
Dennoch war Condor gewarnt. Zukünftig gab es Cover-Retuschen (z.B. Die Spinne Nr. 9 und 51), überdeckte Panels mit Text im Inhalt (FV Taschenbuch Nr. 5) oder es wurden Teile entfernt oder Bildausschnitte vergrößert. Den Punisher ließ man trotz Werbe-Vorankündigung als Spinne Nr. 12 erstmal ganz weg und schwenkte von Amazing Spider-Man auf dessen Nebenserien Peter Parker The Spectacular Spider-Man und Marvel Team-Up um.
Williams hatte sich mit der Prüfstelle angelegt und erfuhr in mindestens drei Fällen eine Indizierung. Dracula Nr. 5, Frankenstein Nr. 5 und für die zuletzt erschienenen Kung Fu-Taschenbuch Ausgaben mit den Söhnen des Tigers aus Deadly Hands Of Kung Fu. So etwas kann geschäftsschädigend sein, was die Condor-Mannschaft möglichst vermeiden wollte.
Teil 33
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