Teil 30 - Die Vertriebspleite
Die nächste Story kann ich nicht erzählen, ohne Namen zu nennen. Wo fange ich an? Am besten vielleicht am Schluss. Der aufwändige Abo- und Einzelheft-Versand war ein Zeitfresser. Selbst mit Einspannen der Familie dauerte es noch zu lange. Seit Das sagte Nuff! Nr. 1 hatte ich mir auf verschiedenen Comic-Börsen einen Tisch mit Tommi und Danni vom Intercomicshop geteilt. Mehr als einen halben brauchte ich anfangs nicht und finanziell hätte sich das auch nicht gelohnt. Es ging eher darum, Präsenz zu zeigen und neue (Abo-)Kunden zu gewinnen.
Ich weiß nicht mehr genau, wie der Kontakt zustande kam. Tommi war Halb-Kroate, glaube ich und ein Gauner, wie er im Buch steht. Zwei Kinder, keinen Führerschein und keinen richtigen Job. Und eigentlich hieß er Gottfried. Sein Traum war es, einen eigenen Comicladen zu betreiben. Ein Typ, mit dem man viel Spaß haben kann. Als Frau würde ich mit ihm jedoch keine Beziehung eingehen wollen. Anders Danni, sie träumte von Familie und Heirat. Tommi war ihr Traummann.
In ihrer Wohnung betrieben die beiden einen Comic-Versand. Danni hatte einen Bürojob bei einer großen Spedition und Tommi passte tagsüber auf die Kinder auf. Ihre Spezialgebiete in Sachen Comics waren US-Neuware und Zubehör. Dafür hatten sie einen treuen Stamm von regelmäßigen Abo-Kunden. Der Bezug der Ware über einen Großhändler schien gut zu laufen und der Superhelden-Boom war noch nicht abgeebbt.
Danni hatte mindestens drei oder vier Katzen, die es sich unter anderem auf den Shortboxen im höchsten Regal des "Comic-Zimmers", wie sie es nannten, gemütlich machten. Ich besitze heute noch ein paar Boxen mit entsprechenden Krallenspuren auf den Deckeln. Der gemeinsame Stand auf den Börsen war für beide Seiten von Vorteil. Die Kundschaft kaufte Zubehör bei Tommi und Danni während die aufgestellten Das sagte Nuff!-Hefte auf einem umfunktionierten Ikea-Metall-Schuhregal, welches als Ständer diente, einen Blickfang darstellten.
Auch ich orderte zu dieser Zeit Schutzhüllen, Backing Boards und was man als Comic-Sammler noch so braucht, bei den beiden. Marvel Masterworks, Essentials und anderes. Die Geschäfte liefen. So schien es zumindest. Als ich einmal über den zeitintensiven Versand klagte und meinte, dass ich mich gerne mehr dem Heft-Machen statt Heft-Verpacken widmen würde, bot Tommi an, den Abo- und Einzelversand komplett zu übernehmen. Da er sowieso täglich mit der Post zu tun hatte, war das ein Deal.
Was ich nicht ahnte, war dass die beiden vor der Pleite standen. Danni war zum dritten Mal schwanger und verlor durch Tommis krumme Geschäfte ihren Hauptjob bei der Spedition. So kam es, dass von Das sagte Nuff! Nr. 10 nur die Hälfte der Abos und Vorbestellungen rausgingen. Die Reaktionen auf das Chaos kann man in ein paar der abgedruckten Leserbriefe in der Folgenummer nachlesen. Trotz einer exakt ausgearbeiteten Liste, wer was mit welchem Zusatzmaterial bekommen sollte, ging die Aktion voll in die Hose und nach hinten los.
Mir blieb nichts anderes übrig, als das fehlende Material selbst zu versenden und die Kisten mit den Heften bei Tommi und Danni nach einer Weile wieder abzuholen. Auf Emails und Anrufe reagierten die beiden nicht. Gut, dass ich nicht alles ausgelagert hatte. Ansonsten hätte es schlecht ausgesehen und ich hätte selbst gar nichts verschicken können. Ich nahm mir also einen freien Tag und fuhr zur Wohnung meiner Vertriebsassistenten.
Und was musste ich da erleben? Klingel ausgeschaltet, Rollläden unten, Briefkasten bis zum Anschlag voll mit Rechnungen. Ich ging einmal ums Grundstück und sah, dass die Terrassentür einen Spalt geöffnet stand. Danni rauchte von drinnen nach draußen und das hochschwanger. Jedenfalls konnte ich eintreten und sie meinte: "Er ist im Comic-Zimmer". Tatsächlich, Tommi saß da und zockte am Computer irgendein Ballerspiel. Da die beiden auch selbst Nuff-Hefte verkauft hatten, blieben ein-zwei Rechnungen offen. Schriftlich gab es nichts, soweit ich mich entsinne. Ich lud die verbliebenen Kisten ein und zog meiner Wege.
Tommi und Danni waren zuvor sehr aktiv im Internet gewesen, z.B. im Comicguide-Forum und bei einer Seite mit angeschlossener Superhelden-Datenbank. Diese Aktivitäten hatten sie gänzlich eingestellt. Schade, dass alles so endete. Denn auf den Börsen hatten wir viel Spaß und zischten das eine oder andere gemeinsame Bierchen. Finanziell war es ein Verlust und menschlich eine Enttäuschung. Vielleicht war das auch ein Mitgrund, warum der zeitliche Abstand zwischen Das sagte Nuff! Nr. 11 und 12 letztlich so groß ausfiel.
Ich bin den beiden schon lange nicht mehr böse und hoffe, dass sie irgendwie noch die Kurve gekriegt haben. Immerhin ist das Ganze mittlerweile zehn Jahre her. Einen Kontakt möchte ich nicht, auch wenn es schön wäre, über die alten Zeiten zu plaudern. Zumindest über den Teil, der lustig war.
Teil 31
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