Sonntag, 31. März 2019

Immer wieder ein bisschen anders…

Nach jahrelanger Durststrecke besannen sich Panini und Hachette in der jüngsten Vergangenheit der alten Klassiker… und neigen seither leicht zur Übertreibung der Wiederveröffentlichung einzelner Ausgaben innerhalb gebundener Zusammenstellungen in Paperbacks und Hardcover. Meist handelt es sich dabei um die Key Issues, also Schlüssel- oder Erstausgaben, in denen gewisse Marvel-Helden oder Schurken zum ersten Mal das Licht der Comic-Welt erblickten.


Ein gutes Beispiel ist Journey Into Mystery #83 mit dem ersten Abenteuer von Thor alias Dr. Don Blake. Der 13seitige Klassiker wurde anno 1974 in Williams' Thor Nr. 1 nur innerhalb des leicht veränderten US-Reprints aus Thor #158 mit zusätzlicher Rahmenhandlung abgedruckt. Die tatsächliche Erstveröffentlichung erfolgte fünf Jahre später durch den Condor Verlag in Die Rächer Taschenbuch Nr. 1. Im Folgejahr kam dann, ebenfalls von Condor "Die Antwort" auf Thor #158, die Williams schuldig geblieben war. Thor #158 und 159 erschienen Anfang 1980 als Marvel-Comic-Sonderheft Nr. 1.


Im September 1999 erschien JiM #83 erstmals mit dem korrekten Covermotiv. Williams hatte für sein Thor Nr. 1 eine Variante mit deutlich mehr Außerirdischen erwischt und diese erdfarben bzw. hellorange eingefärbt. Panini brachte im Zuge der Marvel-Jubiläums-Packs klassische Einzelheft-Beilagen. Das Cover war auf Deutsch getrimmt und der Inhalt von Reinhard Schweizer übersetzt. Die Farben entsprachen der Kolorierung der frühen Marvel Masterworks, die sich nicht an den Originalheften orientiert. Alle Kapitelüberschriften inklusive Titel wurden ins jeweilige Bild eingepasst. Das Lettering mit dem Namen RAM war damals bei allen Produkten aus dem Hause Marvel Deutschland/Panini einheitlich.


Genau ein Jahr später lieferte Marvel Deutschland die Thorgeschichten aus JiM #83-100 als Marvel Klassik Bd. 10 in Hardcover nach. Diesmal wurden Einzelcover und Titel nicht innerhalb der Panels, sondern als Fußnoten übersetzt. Da die Vorlagen für Marvel Klassik laut Reinhard Schweizer zum Großteil aus Italien stammten, war man offenbar gezwungen, die Sprechblasentexte der Titelbilder neu von Hand zu lettern. Das Ergebnis fiel nicht unbedingt zufriedenstellend aus. JiM #83 jedenfalls, sah mit Ausnahme einiger wieder eingefügten Seitenzahlen und einem Grünstich auf Originalseite 6 nahezu identisch aus, wie die Version von 1999.


Warum sollte man JiM #83 siebzehn Jahre später nicht nachdrucken? Dafür gibt es vermutlich keinerlei Gegenargument. Aber gleich dreimal im selben Jahr in drei unterschiedlichen Editionen? Das ist schon heftig, auch wenn der dritte Thor-Film mit Chris Hemsworth parallel dazu in den Kinos anlief. Zunächst erschien Anfang 2017 der vierte Band von Hachettes Superhelden-Sammlung, auch "Rote Reihe" genannt. Diese Hardcover-Serie schickt als Einstieg meist einen Klassiker voraus, ehe ein modernerer Marvel-Zyklus abgedruckt wird. In der Superhelden-Sammlung Bd. 4 hat man nun Kolorierung und Lettering an Thor (Vol. 2) #80-85 aus dem Jahr 2004 angepasst.

Für klassische Marvel-Fans ist das heftig. Denn wie bei Hachettes "Tales Of Asgard" in der schwarzen Reihe als Classic-Band II erschienen, sind die Zeichnungen von Jack Kirby und Co. aus den frühen 1960er Jahren nicht für eine solche Kolorierung mit Verläufen, Transparenzen und anderen grafischen Effekten gemacht. Die Steinmenschen sind hier entgegen dem Original hellbräunlich steinfarben und das Titelbild wurde nicht übersetzt.


Marvel Klassiker Thor zeigt wieder die 1999 und 2000 eingesetzte Panini-Kolorierung. Die Cover-Texte weichen etwas ab und wurden andersfarbig unterlegt. Ansonsten ist die Kolorierung identisch. Das eingesetzte Maschinenlettering mit der Handschrift von Claudia Sartoretti hat etwas breite Buchstaben und ist deshalb nicht ganz optimal. Verändert wurde auch der Text in Thors Hammer auf der letzten Comic-Seite im letzten Panel, der nun besagt, dass es auf den Folgeseiten mit Thors klassischen Abenteuern weitergeht.

Für die Thor-Anthologie wurde der Text nochmal angepasst. Das Lettering von Walprojekt ist das stimmigste. Dieses wurde bereits bei der Superhelden-Sammlung verwendet. Offenbar hatte man auch bemerkt, dass die Hammer-Inschrift auf Originalseite 5 platzmäßig nicht ganz passte. So fehlt in der roten Edition der Name "Thor". Durch Verkürzung des ursprünglichen Texts konnte man diesen separat wieder einsetzen.

Schade, dass keine der deutschen Versionen nahe am Original ist. Anders ist es bei der US-Marvel Masterworks Softcover-Reihe. Der erste Thor-Band erschien in der zweiten Hälfte des Jahres 2010 mit einer Kolorierung, die sich an den Originalheften orientiert.


Ich selbst bin mir nicht schlüssig, was ich davon halte. Denn einerseits freue ich mich über jede klassische deutschsprachige Marvel-Veröffentlichung und jede Lücke, die möglicherweise geschlossen wird. Doch der Fokus liegt inzwischen eindeutig in der Mehrfach- und Wiederverwertung. Die sensationellen Zeiten von "Die Spinne - das fehlende Jahr" sind lange vorbei. Panini und Hachette haben die Lücken in der deutschen Marvel-Chronologie zwar kleiner gemacht, eine Vielzahl jedoch nicht geschlossen oder sogar neue hinterlassen. Eine chronologische Aufarbeitung innerhalb einer Spezialedition verkauft sich einfach nicht gut genug. Ansonsten hätte man Projekte wie "Marvel Klassik" oder "Spider-Man komplett" wohl kaum eingestellt.