Sonntag, 27. Januar 2019

Wie alles begann… Knapper Haushalt

Teil 6 - Nebengeschäft
Als Schüler hat man irgendwie mehr Zeit, zumindest gefühlt. Leider stand ich nach der erfolgreichen Mediengestalter-Abschlussprüfung zunächst ohne Job da. Von ein paar Artikeln und Interviews lässt es sich nicht leben. Während der Schulzeit hatte ich mich in einen Rechner eingeklinkt, den ein Mitschüler zum Proxi-Server umfunktionierte. Offiziell gab es kein Internet im Klassenraum. Der Hausmeister steckte uns aber, dass der Dozenten-PC und einer der Rechner immer online waren. Unser Klassen-Crack angelte sich die IP und verschaffte uns Zugang zur Außenwelt.

Alle Seiten mit ssl-Verschlüsselung standen uns nun frei zur Verfügung. Emails liefen deshalb über web.de und noch wichtiger, Ebay war freigeschaltet. Mindestens eine Stunde am Tag betrieb ich einen kleinen "Im- und Export", um das Taschengeld aufzubessern. Denn wie gesagt, ein Budget für Comics war im Haushaltsetat nicht vorgesehen. So kaufte ich beispielsweise eine fast komplette Sammlung der Micky Maus-Bildfolgen, die es bei Ehapa gegen Einsendung der MM-Schnipps und DD-Gutscheine in den 1970er und 80er Jahren gab. Zuhause erstellte ich eine Liste mit Nummer, Auflage und Zustand und hatte binnen zwei Tagen etwa 50 EUR dazuverdient.


Mein Filmfreund rief mich irgendwann zu einer nachtschlafenden Zeit aufgeregt an und wollte unbedingt, dass ich ihm "Monster des Monats" vom Williams Verlag besorge. Ich hatte keinen Schimmer, was das sein sollte, fand über Umwege jedoch zwei komplette Sätze des seltenen Film-Postermagazins. Einen davon verkaufte ich an Buchautor und Sammler John Ballentine in die USA. Eine Aktion mit riesigem Aufwand. Knicksicherer Überformatversand in die Staaten, Bezahlung über Western Union, die an dem Deal vermutlich am meisten verdienten. Letztlich blieben um die 250 EUR Gewinn für mich übrig, weil die in England nicht erschienene Nr. 2 in Topzustand dabei war. Diese hatte die Jahre wohlbehütet zwischen der Nr. 1 mit leichter UV-Bleichung im unteren Bereich des Covers und den Nummern 3-4 überstanden. Die Mutter des ursprünglichen, zum Kaufdatum jugendlichen Käufers hatte ihm verboten, die blutrünstigen Poster mit Motiven aus den Hammer-Filmen in seinem Zimmer aufzuhängen.

Das Geld kam sehr gelegen und finanzierte eine notwendige Autoreparatur, die ich ansonsten nicht hätte durchführen lassen können. Auch die einschlägigen Internetforen waren zugänglich. Manche Sammler veröffentlichten ihre Suchlisten. Darunter teilweise wirklich seltenes, fast schon obskures Material mit Comic-Bezug vom Fanzine bis zum Schulbuch. Als "Stammgast" des Sammlerecke-Kellers fand ich die hintere Ecke mit den Sachen aus Ankäufen, die für die Mitarbeiter nicht zuzuordnen waren deshalb sehr, sehr interessant. Und was kam da für wenig Geld, weil in keinem Katalog gelistet, zum Vorschein: "Hergés Universum" als Reddition Sonderband und Privatbindung, "Bibliographie zur Comic-Sekundärliteratur" von Renate Neumann, "Die kleine geile Reihe", "Action" Nr. 1-2 aus Österreich, weitere frühe Comic-Fanzines, Sammelbände von Williams und dem bsv, die ersten drei Hefte der Comixene, Comics Maker und vieles, vieles mehr. Unter anderen auch ein weiterer Komplettsatz "Monster des Monats". Danke, Jens, der an der Theke immer faire Preise machte, die für beide Seiten passten.


Alles Zeugs, das nicht zum regulären Verkaufsprogramm der Sammlerecke gehörte. Ich hingegen wusste aus den Foren genau, wer was sammelte und hatte dadurch über den Monat ca. 150-200 EUR mehr in der Tasche. Diese gingen dann für meine eigenen, inzwischen globalen, Marvel-Ankäufe drauf. Ein in sich geschlossenes System, das wunderbar funktionierte, ohne dass ich weitere Finanzmittel hinzuschießen musste.

Irgendwann bemerkte ich, dass ich an Texten für das Marvel-Buch seit fünf Jahren arbeitete und bislang keine einzige Seite in Druckform veröffentlicht hatte. Es war kein Land in Sicht, da ich den weiteren Aufwand auf nochmal fünf Jahren einschätzte. Hinzu kam die drohende Arbeitslosigkeit und die Aussicht auf Hartz 4 im Anschluss an die Ausbildung.

Teil 7
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