"Cap" ist eine heikle Figur, US-Patriot, Nazi-Verfolger und anti-deutsch. Als Mitglied der Avengers auch hierzulande gerne gesehen, als Kämpfer gegen böse Deutsche wie Baron Zemo oder Red Skull eher nicht. Klar, unsere Bevölkerung hat die Vergangenheit hinter sich gelassen, doch Stan Lee und Jack Kirby ritten noch lange in Tales Of Suspense, wo Captain Americas Abenteuer nach dem Relaunch ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre liefen, darauf herum. Teilweise wurden alte Abenteuer aus dem Zweiten Weltkrieg reflektiert, doch der Hauptteil spielt tatsächlich in der damaligen Gegenwart.
Kein Wunder, dass Verlage wie Williams, der Bildschriftenverlag und selbst Panini/Marvel Deutschland nur selten oder fast schon zufällig einzelne klassische Geschichten sporadisch veröffentlichten. Erst Condor widmete Cap von 1988 bis 1996 eine sechsundzwanzigbändige Taschenbuch-Reihe. Die Stories stammten allerdings aus seinerzeit relativ aktuellen Nummern ab Captain America #305.
Mit Marvel Origins 25, 37 und 48 von Hachette liegen nun erstmals Caps Abenteuer aus Tales To Astonish # 59-88 komplett vor. Bereits mit Bd. 37 (Captain America 2) schloss sich der Kreis zur ersten in Deutschland veröffentlichten Geschichte in Hit Comics 14, 16 und 18 von 1967. Mit Bd. 48 sind erstmals auch Abenteuer nach "Batrocs Blitzkrieg" (ToS #85) aus dem 1976 bei Williams erschienenen Kung Fu Taschenbuch Nr. 3 erhältlich.
Inhaltlich mögen die Frühwerke vielleicht banal sein. Doch sie zeigen die Geschichte Captain Americas in den 1960er Jahren in den US-Marvel Comics und sind damit ein Stück Zeitgeschichte, geprägt vom damaligen Zeitgeist und Verständnis von Stan Lee und Jack Kirby sowie der amerikanischen Bevölkerung. Und damit ein Muss für alle Fans des "Marvel Age of Comics" der 1960er und frühen 1970er Jahre.
Leider kommt auch Hachette bei NS-Symbolen nicht um Retuschen herum. Denn diese dürfen nur im geschichtshistorischen oder satirischen Kontext dargestellt werden. Im Falle von Captain America ist es aber fiktional und trifft auf die beiden anderen Möglichkeiten nicht zu. Deshalb sieht man in Marvel Origins 25 einen Haufen "Fensterchen" und in den beiden anderen Bänden "leere" Armbinden. Das mag zwar schade sein, weil es die Originale verfälscht, der Inhalt bleibt jedoch derselbe.
Ich empfinde ToS #59-88 als kurzweiliges Lesevergnügen und freue mich darüber, dass Caps Abenteuer nach fast sechzig Jahren nach ihrem Start beim Bildschriftenverlag endlich inhaltlich lückenlos in deutscher Sprache vorliegen. Möge Cap seine nationalsozialistisch geprägten Gegner alle besiegen!
Zu den Veröffentlichungen vor Marvel Origins geht es hier:
https://dassagtenuff.blogspot.com/2019/04/die-captain-america-anthologie.html